»Vergiss nicht, man benötigt nur wenig, um ein glückliches Leben zu führen.« Marc Aurel (121–180 n. Chr.), römischer Kaiser
24 Servervirtualisierung mit Xen
Was Sie in diesem Kapitel erwartet
In diesem Kapitel möchte ich Ihnen eine Virtualisierungssoftware vorstellen, die sich in ihrer kurzen Geschichte bereits einen beachtlichen Ruf erworben hat: Xen. Spricht man von Virtualisierung, so hat man Xen im Hinterkopf. Xen ist der Platzhirsch unter den Open-Source-Virtualisierungslösungen und hat einen großen Rückhalt unter Distributoren und Herstellern. Auch unter Ubuntu können Sie Xen benutzen und damit die Vorteile der Paravirtualisierung erleben.
Xen hatte schon zu Beginn einen derartigen Erfolg und Einfluss, dass die Prozessorhersteller inzwischen die neueste Generation von Prozessoren mit bestimmten Techniken ausrüsten, um die Virtualisierung durch Xen zu unterstützen.
Das folgende Kapitel zur Virtualisierung mit Xen kann naturgemäß nur einen Einstieg in dieses umfangreiche Thema darstellen. Wenn Sie darüber hinaus Interesse an diesem Thema haben, möchte ich auf mein Buch Xen – Das umfassende Handbuch (Galileo Computing 2008, 547 Seiten) hinweisen. Dort gebe ich einen detaillierten Einblick in das Thema Virtualisierung, wobei ich mich schwerpunktmäßig mit Xen und KVM beschäftige.
Benötigtes Vorwissen
Sie sollten fortgeschrittene Kenntnisse im Umgang mit der Shell besitzen (siehe Abschnitt »Das Terminal«).
24.1 Was ist Xen? 

Xen bietet eine sehr effektive Methode zur Ausführung mehrerer Betriebssysteme auf einem Rechner. Es erfordert bei Prozessoren ohne Vanderpool- oder Pacifica-Technologie allerdings angepasste Betriebssysteme. Daher sind Sie ohne diese Prozessoren auf Linux und einige BSDVarianten eingeschränkt. Andererseits ist die Leistung der parallel laufenden Systeme geradezu phänomenal hoch, die Performance-Verluste liegen stets im einstelligen, meist sogar im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
24.1.1 Der Name 

Der Begriff Xen ist mit großer Sicherheit eine Zusammensetzung aus den Begriffen »Linux« und »Zen«. Die Aussprache dieses Kunstwortes ist »Sen« mit einem weichen »S«.
Zen
Der Zen-Buddhismus (oder kurz Zen) ist eine in China ab etwa dem 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung entstandene Strömung des Mahayana-Buddhismus, die wesentlich vom Daoismus beeinflusst wurde. Primäre Aufgabe des Zen-Schülers ist die fortgesetzte, vollständige und bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments. Auf diese Weise kann sich die Erkenntnis der absoluten Realität einstellen. An dieser Stelle bemerken Sie das Wortspiel in Bezug zur Virtualität, die das Thema dieses Kapitels ist. Mit Xen wird die Virtualisierung zur absoluten Realität.
Abbildung 24.1 Die Kalligrafie des Enso (japanisch für »Kreis«) verkörpert Leerheit und Vollendung. Sie wird häufig als visuelles Symbol für Zen verwendet (Quelle: Wikipedia).
24.1.2 Ursprung 

Xen wurde 2001 im Computerlabor der Universität Cambridge erdacht. Es war Teil des XenoServer-Projektes und wurde 2003 unter der Leitung von Ian Pratt selbständig. Ende 2003 wurde Xen erstmals öffentlich in einem Aufsatz beschrieben.
Xen hatte von Beginn an einen sehr großen Erfolg und gilt heute als eines der wichtigsten Open-Source-Projekte. Mit der Zeit ist Xen so gewachsen, dass daraus ein eigenes Projekt mit der Firma XenSource entstand. Die Firma XenSource mit Sitz in Palo Alto (Kalifornien, USA) bietet kommerzielle Xen-Lösungen und Support an.
XenSource wurde von den ursprünglichen Entwicklern des Xen-Projektes gegründet. Dies sind Ian Pratt, Keir Fraser, Steven Hand und Christian Limpach. Auch wenn Xen und XenSource zwei verschiedene Projekte sind, beeinflussen sie sich stark gegenseitig. XenSource kümmert sich hauptsächlich um die Weiterentwicklung von Xen und ist das virtuelle Zuhause für die Community rund um Xen. Die Firma kümmert sich ebenfalls um das Wiki, die Website, die Mailinglisten und um den Downloadserver für die Xen-Software.
Der Markt für Virtualisierungssoftware wächst seit Jahren stetig, und inzwischen beginnt auch hier die Konsolidierung. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass inzwischen sogar Microsoft auf diesen Markt drängt, sondern auch daran, dass XenSource 2007 von Citrix übernommen wurde. Xen hat inzwischen viele Partner und Förderer wie beispielsweise Intel, AMD, Microsoft, IBM, HP oder SUN. Viele Entwickler dieser Firmen tragen maßgeblich zur Entwicklung bei. Die Liste der Förderer wächst beständig.
24.1.3 Gründe für den Erfolg 

Es stellt sich natürlich die Frage, warum das Xen-Projekt so außerordentlich schnell wuchs und eine derartige Beachtung fand. Ich möchte versuchen, einige der zahlreichen Faktoren aufzuzählen, die die Entwicklung von Xen positiv beeinflussten.
- Glück
Das Projekt erschien genau zur richtigen Zeit. Der Bedarf an Virtualisierung wächst seit Jahren konstant. Die bisherigen Einsparpotentiale in Bezug auf Strom und Administration werden durch Bladeserver realisiert. Viele Stromanbieter haben die sogenannten Flatrates für Strom abgeschafft, weil der Bedarf an elektrischer Energie durch den weiter wachsenden Servermarkt ungeahnte Dimensionen angenommen hat. Dies sind Gründe, die die Akzeptanz von Serverkonsolidierung durch Virtualisierung erhöhen.
- Open Source
Xen ist Open-Source-Software und wurde daher von Beginn an unabhängig von wirtschaftlichen Interessen und Risiken entwickelt. Dadurch wird eine konstante Weiterentwicklung durch eine Vielzahl von freiwilligen Entwicklern gewährleistet.
- Kostenlos
Xen ist nicht nur Open Source, sondern auch kostenlos. Es kann damit frei verfügbar heruntergeladen und ohne Lizenzbeschränkungen eingesetzt werden. Xen steht unter der GPL und kann frei modifiziert und weitergegeben werden. Dies sorgt für eine gute Werbung, aber auch dafür, dass viele Administratoren ohne Risiko einen Blick auf das Produkt werfen können – wer sich einmal in eine komplizierte Technik eingearbeitet hat, wird oftmals bei dieser bleiben.
- Technik
Xen ist ein technisch interessantes und fortschrittliches Produkt. Die Leistungsfähigkeit und Stabilität ist größtenteils besser als die der (kommerziellen) Konkurrenz.