14.9 Fremdsoftware nutzen 

Fremdsoftware wie beispielsweise Windows-Programme können entweder mit Hilfe des WinePakets oder mit plattformübergreifenden Applikationen auf Java-Basis ausgeführt werden. Dadurch erhält der Windows-Umsteiger die Möglichkeit zur »sanften Umgewöhnung«.
14.9.1 Windows-Programme 

Folgende Möglichkeiten gibt es, Windows-Software unter Linux zum Laufen zu bringen:
- Wine
Hierbei handelt es sich um eine Umgebung, die es aufgrund von angepassten Bibliotheken gestattet, Windows-Programme auch unter Linux ablaufen zu lassen. Das Kürzel Wine steht dabei für »Wine is not an emulator« und deutet an, dass Wine kein echter Emulator ist, der eine eigene Hardwarestruktur abbildet, sondern lediglich das Betriebssystem simuliert. Der Kompatibilitätsgrad ist dabei mittelmäßig, einfache Anwendungen arbeiten aber meist brauchbar unter Wine.
- Crossover Office
Diese kommerzielle Variante von Wine wurde insbesondere an die Microsoft-Office-Produktlinie angepasst und arbeitet daher auch recht gut mit der Originalsoftware zusammen. Das Programm ist allerdings kostenpflichtig, für die Standardversion fallen ca. 50 EUR an.
- Cedega
Das Cedega-Projekt (vormals WineX) gibt dem spielbegeisterten Anwender die Möglichkeit, Windows-DirectX-Spiele unter Linux zu betreiben. Die Software ist in Form eines Abonnements erhältlich.
- VMware
Wenn alle Stricke reißen: Mit Hilfe der kommerziellen VMware-Software simulieren Sie einen eigenständigen PC unter Linux, auf dem ein vollwertiges Windows-System installiert werden kann. Damit können Sie nahezu sämtliche Originalsoftware zum Laufen bringen. Die Ausnahme sind Spiele, die DirectX erfordern.
Nachfolgend soll ein einfaches Wine-System konfiguriert werden; mehr zu VMware finden Sie im Kapitel »Desktop-Virtualisierung«. Details zu den anderen oben genannten Projekten entnehmen Sie bitte den Internetseiten der Hersteller bzw. Vertreiber.
Installation von Wine
Es gibt zwei Möglichkeiten, unter Ubuntu zu einer lauffähigen Wine-Installation zu gelangen. Die einfachste: Installieren Sie das folgende Paket aus dem Universe-Repository:
- wine
Wer stets die aktuelle Version von Wine installiert wissen möchte, der definiert (abhängig von der verwendeten Ubuntu-Version) eine der in der Tabelle aufgeführten Quellen in der Datei sources.list.
Version | Paketquelle |
Ubuntu 11.04 |
deb http://wine.budgetdedicated.com/apt natty main |
Ubuntu 10.10 |
deb http://wine.budgetdedicated.com/apt maverick main |
Ubuntu 10.04 |
deb http://wine.budgetdedicated.com/apt lucid main |
winecfg
Nach der Installation von Wine müssen Sie zunächst einmal wine im Terminal aufrufen, das Programm richtet dann notwendige Ordner etc. ein. Zur Konfiguration von Wine gelangen Sie mit folgendem Befehl:
sudo winecfg
Funktionstest
Danach können Sie die Funktionsfähigkeit des Programms durch Aufruf des Programms winemine testen. Dabei handelt es sich um einen Minesweeper-Clone, der regen Gebrauch von den Windows-Bibliotheken macht.
Der nächste Test könnte darin bestehen, das bekannte Solitärspiel aus einer parallelen Windows-Installation in Ihr Linux-System zu kopieren. Dieses kann danach mit
wine sol.exe
getestet werden (siehe Abbildung).
Abbildung 14.9 Windows-Solitär unter Linux
.exe-Datei unter Linux ausführen
Nun können Sie ein fremdes Programm testen. Suchen Sie einfach eines der im Internet reichlich vorhandenen Freeware-Programme. Starten Sie nach dem Download die Installation mittels
wine setup.exe
oder mit dem jeweiligen Befehl zur Installation der Software. Sämtliche installierten Programme befinden sich in einem versteckten Verzeichnis namens .wine in Ihrem home-Verzeichnis im Unterpfad drive_c. Sollte etwas schieflaufen, so löschen Sie einfach dieses versteckte Verzeichnis. Danach geben Sie Folgendes in einem Terminal ein:
export WINEPREFIX=/home/username/.wine wineprefixcreate --prefix /home/username/.wine
Danach können Sie von vorn beginnen.
Wine ist eher die Notlösung
Als Faustregel für Wine gilt: Je älter die Anwendungen sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, die Windows-Software angemessen zum Laufen zu bringen. Seien Sie vor allem nicht enttäuscht, wenn das eine oder andere Programm nicht wunschgemäß funktioniert: Wine ist nach wie vor eher als Notlösung zu verstehen.
Kompatibilität erhöhen
Es gibt noch ein Zusatzprogramm mit dem Ziel, die Standardinstallation von Wine kompatibler zu machen. Allerdings setzen einige der von WineTools installierten Programme voraus, dass Sie eine (legale) Windows-Lizenz besitzen.
WineTools können Sie unter http://www.von-thadden.de/Joachim/WineTools/index.html herunterladen. Nach dem Herunterladen müssen Sie die Archivdatei entpacken und das Installationsskript mit dem Befehl sudo ./install starten.
Weiterentwicklung von wine
An dem Wine-Projekt sind über 300 Hobby- und Profiprogrammierer beteiligt, die in der ganzen Welt verstreut sind. Bis jetzt werden etwa 70 Prozent der Systemaufrufe unterstützt, wobei die restlichen noch nicht implementierten Aufrufe fast immer Sonderfunktionen sind, die nur von sehr wenigen Programmen benötigt werden. Wine ist nach über einem Jahrzehnt immer noch im Entwicklungsstadium, etwa alle zwei Wochen steht eine neue Version zum Herunterladen bereit.
14.9.2 Java-Programme 

Eine wesentlich bessere, auch rechtlich sauberere Lösung als das im letzten Abschnitt beschriebene Vorgehen mit Wine stellt der Einsatz von Java-Software unter Linux dar.
Dieser Einsatz soll nachfolgend an zwei Beispielen gezeigt werden. Voraussetzung ist die Installation einer Java-Runtime-Umgebung. Ein entsprechendes Paket lässt sich mit
apt-get install openjdk-6-jdk
einfach installieren. Sollten Sie mehrere Java-Umgebungen installiert haben (beispielsweise auch das Original von Sun), können Sie die korrekte Version mit folgendem Befehl auswählen:
sudo update-alternatives --config java
Der Sun-Java-Compiler wird über
sudo update-alternatives --config javac
ausgewählt. Damit wären sämtliche Voraussetzungen für einen ersten Test gegeben.
ProjectX
Um Ihnen die Leistungsfähigkeit von Java unter Linux zu demonstrieren, möchte ich Ihnen als erstes Beispiel ein Programm vorstellen, mit dem Sie Videostreams bearbeiten können. Zum Umwandeln der Aufnahmen des digitalen Videorekorders VDR bietet sich die Software ProjectX an (www.lucike.info).
Abbildung 14.10 »ProjectX« – Java-Programm zum Demuxen von VDR-Streams
Das Java-Programm zum Demultiplexen von Videostreams (siehe Abbildung) wird nach dem Download und dem Entpacken der ZIP-Datei folgendermaßen gestartet:
java -jar ProjektX<Version>.jar
Das Kürzel *.jar steht hierbei für ein Java-Archiv. Nach dem Start des Programms können Sie zunächst über das Menü Sprache die Menüsprache Deutsch wählen. Anschließend können Sie über das Menü Datei • Hinzufügen einen mit VDR aufgenommenen Videostream laden und bearbeiten, so dass das Material schließlich auf eine DVD gemastert werden kann.
GEONExT
Das Programm GEONExT (http://geonext.uni-bayreuth.de) möchte ich Ihnen als zweites Beispiel für leistungsfähige Linux-Software auf Java-Basis vorstellen. Es ist eine Anwendung für den Mathematikunterricht, die das Zeichnen von geometrischen Figuren sowie Funktionsgraphen ermöglicht.
Abbildung 14.11 Interaktive Geometrie mit »GEONExT«
Die Graphen und Zeichnungen können nach Bearbeitung als PNG- oder SVG-Dateien exportiert werden. Nach dem Download der Datei ist eine Installation erforderlich:
chmod a+x geonext_linux.bin ./geonext_linux.bin
Das Programm wird im Normalfall in das Heimverzeichnis des Benutzers installiert. Dort wird auch ein Link namens runGEONExT erstellt. Durch Anklicken des Links in einem Browser wird das Programm schließlich gestartet. Das interaktive Geometriesystem kann eine Vielzahl von Zusammenhängen und geometrischen Sätzen veranschaulichen.