24.4 Funktionsumfang und Systemanforderungen 

Auf den letzten Seiten konnten Sie eine Einsicht bekommen, wie die Entwicklung von Xen verlief und welche Funktionen bei jeder neuen Veröffentlichung hinzukamen. Allerdings fehlt so der komplette Überblick des Funktionsumfangs, und genau dies möchte ich in diesem Abschnitt nachholen.
Allgemein muss man festhalten, dass die Entwicklung recht dynamisch erfolgt. Xen wurde zu Beginn nicht mit der Absicht entwickelt, einmal in den Linux-Kernel integriert zu werden oder die Standardlösung im Bereich der Virtualisierung zu werden. Der Code wurde in den ersten Jahren mehrfach massiv umgeworfen. Dies führte nicht nur zu Problemen im produktiven Betrieb und zu nicht reproduzierbaren Fehlern, sondern verhinderte bisher auch eine Integration in den offiziellen Linux-Kernel.
Schwerpunkte
Zurzeit existieren in der Entwicklung von Xen zwei Schwerpunkte. Dies bedeutet selbstverständlich nicht, dass von den Entwicklern nur diese Ziele verfolgt werden.
Mit der Entwicklung der Version 3.2 begann eine intensive Arbeit an der Qualität des zugrundeliegenden Codes, einem der Hauptkritikpunkte der Linux-Entwickler. Hierbei wurde an einer grundsätzlichen Überarbeitung der Code-Architektur gearbeitet, um die Aufnahme in den Kernel zu erreichen. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Entwicklung lag in der Schaffung von umfassenden grafischen Management-Werkzeugen. In diesem Bereich ist die Konkurrenz, namentlich VMware und Microsoft, Xen um Jahre voraus. Allerdings wird auch bei Xen fleißig weiterentwickelt, und es wurden einige Verbesserungen in der aktuellen Version 4.0.1 integriert.
Hardware
Hardwareseitig bietet Xen Unterstützung für:
- 32-Bit- und 64-Bit-Systeme mit Linux-Kernel 2.6.x
- Hyperthreading
- Physical Adress Extension (PAE) bei 32-Bit-Systemen
- bis zu 1 Terabyte Arbeitsspeicher bei 64-Bit-Systemen
- SMP-Systeme mit bis zu 32 CPUs
- den erweiterten Befehlssatz (Intel VT und AMD-V)
Wie Sie an der obigen Auflistung erkennen können, bietet Xen eine umfassende Hardwareunterstützung. Es werden fast alle Linux-Treiber unterstützt. Man muss aber ehrlich eingestehen, dass es noch erheblicher Arbeit bedarf, um ACPI, APM oder 3D-Grafik ohne Probleme zu verwenden.
Auch wenn die ACPI-Unterstützung (des Hosts) bei der aktuellen Version von Xen erheblich verbessert wurde, so gelingt dies nicht unter allen Konfigurationen. Des Weiteren ist es problematisch, wenn Host und Gast gleichzeitig die Soundausgabe nutzen. Hier hilft es meist nur, den Sound für die Gäste zu deaktivieren.
Konfiguration
Folgende Konfigurationen sind möglich:
- Aufbau virtueller Netzwerke zwischen mehreren Gästen
- virtuelle Mehrfachprozessoren auch auf einem 1-CPU-System
- Unterstützung diverser Speichersysteme als Speicherort für Gäste: NAS, SAN, iSCSI, NFS, LVM usw.
- automatisiertes Starten und Stoppen von Gästen
Dynamisch während der Laufzeit kann die virtuelle Hardware geändert werden:
- Größe des Arbeitsspeichers
- Anzahl der virtuellen Prozessoren
- Hotplugging von Netzwerkschnittstellen
- Hotplugging von Festplatten
Management
Das Xen-Management ermöglicht:
- das Verschieben von Gästen von einem Hostrechner auf einen anderen (Migration). Dies ist sogar bei laufendem Betrieb, also »on the fly« möglich. Die IP- und MAC-Adressen werden hierbei automatisch transferiert.
- Unterstützung für Trusted Plattform Modules (TPM)
- Leistungs- und Aktivitätsüberwachung durch xentop und XenoProf
- XML-RPC-Schnittstelle für webbasierte Administration und Monitoring
- Echtzeit-Monitoring
- Kommandozeilen-Tool zur Verwaltung der Gäste:
- Starten und Stoppen
- Pausieren und Neustarten
- Speichern und Wiederherstellen des Status
- Es sind unterschiedliche Prioritätseinstellungen der Gäste möglich. Es gibt eine Quality of Service (QoS) für Loadbalancing und Netzwerkanbindungen.
Die Grenzen
Xen ist selbstverständlich nicht perfekt. Die bisherige Entwicklung ist die eines typischen Open-Source-Projektes, das zu Beginn nicht auf kommerzielle Interessen ausgerichtet war. Es wurde bisher eindeutig die Priorität auf die Funktionen gelegt und nicht auf die »Usability«. Auch wenn Xen im Funktionsumfang mit den meisten kommerziellen Produkten mithalten kann, ist die Verwaltung nicht so einfach wie bei der Konkurrenz.
Konkret handelt es sich vor allen Dingen um Management-Tools. So fehlt beispielsweise komplett eine Management-GUI. Diese ist zwar in Arbeit, aber noch nicht fertiggestellt worden und dementsprechend auch nicht integriert. In diese Lücke springen allerdings verschiedene andere Werkzeuge von Drittanbietern, auf die ich im Abschnitt »Management-Produkte« eingehen werde.
Es fehlen allerdings auch einige wichtige Verwaltungsfunktionen, die aber größtenteils bereits in der Entwicklung sind. Man darf bei diesen Punkten in den nächsten Versionen von Xen mit deutlichen Fortschritten rechnen. Es fehlen stichwortartig folgende Funktionen:
- Snapshot-Erstellung
- Klonen
- Template-Erstellung
- automatisierte Installation von Domains
- Konvertierungen: physical-to-virtual (P2V) und virtual-to-physical (V2P)
Systemanforderungen
Wie bei allen Anwendungen gibt es einige Systemanforderungen zu beachten:
- Das System muss GRUB verwenden. Dies ist bei Ubuntu der Standard-Bootloader, und sofern Sie daran nichts geändert haben, ist die erste Voraussetzung leicht zu erfüllen.
- Sie brauchen auf Ihrer Festplatte ausreichend Platz für die zu installierenden Gastsysteme. Während ein minimales System mit 600 MB auskommt, braucht eine vollständige grafische Linux-Installation leicht bis zu 3 GB Platz.
- Sie brauchen als Faustregel ungefähr jeweils 256 MB Arbeitsspeicher für jedes Gastsystem.